Arbeitspaket 1: Strukturen und Symmetrien in Zustandsräumen

Die hier avisierten Anwendungen zeichnen sich durch spezifische Symmetrien aus, sowohl in Streubildern als auch in strukturiertem Verhalten von interagierenden Objekten. Ein wichtiges Projektziel ist in beiden Fällen die gezielte und modulare Entwicklung von Ansätzen des Maschinellen Lernens, um Daten wie Streubilder oder Zeitreihen zu analysieren. Aus den Daten allein sind die Symmetrien des zugrundeliegenden Modells nicht immer offensichtlich. Unser Ziel ist es daher, Wissen über die Symmetrien zu nutzen um die Effizienz der Erkennung und Rekonstruktion zu verbessern.

Im Einzelnen ergeben sich die folgenden drei Aufgabenstellungen auf den Gebieten der Einzelschuss-Röntgenstrukturanalyse, der komplexen molekularen Systeme sowie der Quantenzustandsrekonstruktion.

Nanophysik

Nanophysik

In der Einzelschuss-Röntgenstrukturanalyse werden in jedem Laserschuss Röntgen-Streubilder individueller Nanopartikel aufgenommen. Die Teilchen werden dabei infolge der Energiedeposition während des Streuprozesses durch hydrodynamische Expansion bzw. Coloumbexplosion zerstört. Aus diesem Grund ist die Verwendung ultrakurzer Pulse mit Pulslängen im Femtosekundenbereich der Schlüsselansatz zur Einzelschussanalyse einzelner Nanoteilchen. Dabei besteht die Möglichkeit der Strukturaufklärung von supramolekularen Systemen wie Proteinen, die oftmals nicht kristallisiert werden können, oder die Einzelschussanalyse extrem fragiler, nur in der Gasphase zugänglicher Systeme. So werden beispielsweise Momentaufnahmen von statistischen Wachtumsprozessen von Nanostrukturen in der Gasphase oder die Morphologie rotierender suprafluider Tropfen erstmals sichtbar. 
Die Repetitionsrate bei der Aufnahme der Röntgen-Streubilder nimmt derzeit stetig zu und dringt aktuell bereits in den Bereich mehrerer kHz und perspektivisch sogar MHz vor, so dass eine individuelle Auswertung einzelner Streubilder, die interessante Symmetrien aufweisen, schon jetzt nicht mehr praktikabel ist. Daraus leitet sich direkt die Notwendingkeit schneller, automatisierten und ggf. auch selbstlernender Selektions- und Rekonstruktionsverfahren ab.

Komplexe molekulare Systeme

Komplexe molekulare Systeme

Während im 20.Jahrhundert Strukturaufklärung mittels Streumethoden im Wesentlichen auf kristalline Feststoffe beschränkt war, ist in den letzten Jahrzehnten nicht-kristalline Materie in den Fokus der Strukturforschung getreten. Dies ist einerseits durch die technische Relevanz amorpher Materialen wie etwa Polymere, Gele, kolloidale Suspensionen und Flüssigkristalle, andererseits durch die Verfügbarkeit hochbrillianter und kohärenter Strahlungsquellen für kurzwelliges Licht bedingt. Synchrontronstahlungsquellen der dritten und vierten Gerneration ermöglichen mit kohärenter Röntgenstrahlung Zugang zu struktureller Nahordnung und lokalen Symmetrien in nicht-kristalliner Materie. Solche amorphen Strukturen treten häufig in weicher kondensierter Materie auf, worunter man Systeme mit schwachen Wechselwirkungen versteht, die einerseits äußeren Zwängen leicht ausweichen können und damit etwa durch externe Felder manipulierbar sind, andererseits durch starke Fluktuationen gekennzeichnet sind. Die Eigenschaften solcher Systeme sind daher wesentlich durch dynamische Prozesse bestimmt, die mit zeitaufgelösten Methoden bzw. quasielastischen Streumethoden im Zeitbereich zugänglich sind.
Schon derzeit fallen mit einer Zeitauflösung im Bereich von Millisekunden derart große Datenmengen an, dass eine systematische Auswertung der Daten nur sehr begrenzt möglich ist. Die experimentellen Möglichkeiten von Sychronisationsstrahlungsquellen der dritten und vierten Generation mit noch wesentlich höherer Zeitauflösung erfordern daher neue Strategien zur automatisierten Auswertung sehr großer Datenmengen. Methoden der künstlichen Intelligenz wie auf Neuronalen Netzen basierendes Maschinelles Lernen sind ein vielversprechender Ansatz, Informationen zu Struktur und Dynamik komplexer Systeme aus großen Datensätzen zu extrahieren.

Quantenzustandsrekonstruktion

Quantenzustandsrekonstruktion

In der modernen Quantenoptik und Quanteninformationsverarbeitung ist es notwendig, den Quantenzustand korrelierter Systeme, bestehend aus mehreren Untersystemen oder Moden, vollständig zu charakterisieren. Dazu müssen statistische Messdaten in einem hochdimensionalem Parameterraum aufgenommen und unter Beachtung physikalischer Nebenbedingungen zur Rekonstruktion des Quantenzustandes herangezogen werden.
Die Komplexität von Quantencomputern und Quantensimulatoren skaliert allerdings exponentiell mit der Anzahl der verfügbaren Quantensysteme. Ebenso skaliert der Messaufwand für eine rigorose Quantenzustandsrekonstruktion, so dass hier traditionelle Methoden schon bei sehr wenigen korrelierten Quantensystemen versagen. Aktuelle Entwicklungen, wie z.B. integrierte photonische Wellenleiterstrukturen, die in der Lage sind, komplexe Multimodenzustände interferometrisch stabil zu erzeugen und zu manipulieren, erfordern neuartige Ansätze zur effektiven Rekonstruktion von hochdimensionalen Quantenzuständen auf der Basis begrenzter Messdaten. Einerseits wurde gezeigt, dass Artefakte in den tomografischen Verfahren zur medizinischen Bildgebung effektiv bei der Rekonstruktion durch Neuronale Netze unterdrückt werden können. Dieser Ansatz lässt sich direkt auf Quantenzustandstomografie übertragen. Auf der anderen Seite liegt die nutzbare Information im Ausgangszustand teilweise in kleineren Untersystemen in einer gewissen Darstellungsform wie der photonischen Dichtematrix vor. Die Bestimmung der optimalen tomografischen Projektionen in der Messung für die statistisch signifikanteste Rekonstruktion von rekonfigurierbaren Untersystemen versagt bereits bei geringer Komplexität, so dass für die Skalierbarkeit ebenfalls neuartige Ansätze erforderlich sind, die während der Rekonstruktion auf die tomografischen Parameter der laufenden Messung Einfluss nehmen. Die Ansätze sind dabei vergleichbar mit den dynamischen Analyseproblemen und Regel- bzw. Steuerungsfragestellungen, die in AP2 behandelt werden.
Für die hier beschriebenen Aufgabenstellungen, die auch als inverse Probleme charakterisiert werden können, sind explizite Verfahren entweder unzugänglich oder zeitlich nicht durchführbar. An dieser Stelle soll das Potenzial des Maschinellen Lernens zum Tragen kommen.